Die Kaiserpfalz
Was wäre Ingelheim ohne die Kaiserpfalz?
Eine Pfalz war im Mittelalter eine Mischung aus Hotel, Bundeskanzleramt, Verfassungsgericht und Schloss Bellevue. In den Pfalzen wurde also regiert, empfangen, verurteilt, gekrönt, getauft, getagt und kurzzeitig auch gewohnt. Ansonsten waren die Herrscher auf Reisen im Reich unterwegs. Bauherr der Ingelheimer Kaiserpfalz war Karl der Große. Auf dem historischen Rundweg sind unter anderem die Überreste der Aula regia, der Saalkirche und des Heidesheimer Tors zu besichtigen. Zum Abrunden, besser noch als Startpunkt empfiehlt sich das Museum bei der Kaiserpfalz, wo unter anderem der einzigartige Solidus und eine Multimedia-Show warten.
Die Kaiserpfalz - Hintergrundinformationen, Tourenempfehlungen und Museumstipp
Reisen dauerten bis zur Erfindung der Luftfahrt bekanntlich ziemlich lang. Und weil alle wichtigen Persönlichkeiten ständig und ewig unterwegs waren um Herrschergeschäfte zu regeln oder Kriege zu führen, wurde im Mittelalter nicht von festen Residenzen oder von einer Hauptstadt aus regiert, sondern von Stützpunkten. Diese nannte man Pfalzen (lat. Palatium = Palast). Sie wurden an strategisch günstigen Punkten errichtet. Eine Pfalz musste so beeindruckend wie ein Regierungssitz sein, so funktionell wie ein Hotel, so variabel wie ein Kongressgelände und so repräsentativ wie ein Schloss.
Als Karl der Große sein Reich auf fast ganz Europa ausgedehnt hatte, ließ er um 800 in Ingelheim die Kaiserpfalz als Palast im schicken römisch-antiken Villen-Stil bauen. Mit riesigem Säulengang und arenagroßem Gelände. Damit erhielt die Ingelheimer Kaiserpfalz ihre bis heute einzigartige Architektur unter den Pfalzen des frühen Mittelalters, die mehrheitlich sehr viel einfacher und unspektakulärer gebaut waren. Karls Biograf Einhard beschrieb sie als „prächtigste Pfalz neben Aachen und Nimwegen.“ Nach Karl nutzen 21 weitere Herrscher die Ingelheimer Kaiserpfalz. Was hier ablief, können wir uns nur dank dem Film „Ausstellungstafel 21“vorstellen: Reichsversammlungen, Gerichtsprozesse, Festtagskrönungen, Taufen, Hochzeiten und Abdankungen sowie Synoden mit weltlichen und kirchlichen Repräsentanten.
Ein paar Dynastien später benötigten die Ottonen ein Gotteshaus für ihre prachtvollen Kirchenfeste im 10. und frühen 11. Jahrhundert, weshalb eine zweite Kirche, die Saalkirche (heute evangelisch), errichtet wurde.
Die Staufer im 12. Jahrhundert hatten anderes im Sinn und verwandelten die Pfalz in eine Art Burg mitsamt Wehrmauer, Wehrtürmen und wassergefülltem Burggraben. Das hat die Generationen danach nicht davon abgehalten, sich beim historischen Baumaterial zu bedienen und einen Teil der alten Gemäuer zu überbauen. Deshalb liegt die Ruine der Kaiserpfalz heute mitten im Wohngebiet des historischen Ortskerns von Nieder-Ingelheim.
Mit Kellen, Pinseln und Kladden bewaffnet begannen Archäologen vor über 100 Jahren mit der Erforschung der Kaiserpfalz. Seit 1998 läuft die touristische Erschließung der Denkmalzone, damit Sie eine der am besten erforschten Pfalzen des Mittelalters – oder was davon übrig ist – erleben können. 2011 gab es dafür den Stiftungspreis „Lebendige Stadt“ mit der Auszeichnung als „unverwechselbare Stadt“.
Wann es losgeht mit dem Besichtigen? Wie wäre es mit jetzt? Einfach den ausgeschilderten Kaiserpfalz-Rundweg folgen. Mit oder ohne extra Infomaterial, das bei der Tourist-Information oder im Museum bei der Kaiserpfalz ausliegt. Dort werden zudem eGuides verliehen, die Sie zu den Sehenswürdigkeiten navigieren. Für Ihre Must-see-Liste: Aula regia, Saalkirche und Heidesheimer Tor.
Wer im Geschichtsunterricht nicht so aufgepasst oder viel vergessen hat, bucht eine Gruppenführung oder nimmt an einer öffentlichen Führung teil. Alle Infos gibt es aber auch auf der Beschilderung vor Ort zum Selbernachlesen.
Klein, aber fein ist das Museum bei der Kaiserpfalz.
Es ist ein Ort des Bewahrens, Staunens und Lernens.
Ein attraktives Programm lädt rund ums Jahr zu Ausstellungen, Veranstaltungen, Festen, Vorträgen, Führungen und Workshops mit historischen Themen ein. Das Museum präsentiert sich literarisch, musikalisch und manchmal sogar kulinarisch.
Regelmäßige Führungen von Kindern für Kinder sind nicht nur bei den Jüngsten beliebt. Die Liste ist noch länger und wird ständig um neue Termine ergänzt. Diese und weitere Informationen finden Sie auf unserer Website www.museum-ingelheim.de. Wir freuen uns auf Ihren Besuch!
Ab 1993 wurden nach langer Pause wieder archäologischen Ausgrabungen im Saalgebiet durchgeführt. Dafür hatten sich viele eingesetzt: die Archäologische Denkmalpflege Mainz, der Lehrstuhl für Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg und die Stadt Ingelheim sowie lokale Ingelheimer Vereine.
Warum wird geforscht?
Die Kaiserpfalz war eines der bedeutendsten früh- und hochmittelalterlichen Bauwerke. Jahrhundertelang war sie von Herrschern genutztet Stützpunkt und ein Grundpfeiler europäischer und deutscher Kulturgeschichte.
Wie und was wird erforscht?
Die Überreste der einstigen Bauwerke müssen erschlossen, gesichert und ausgewertet werden. Betrachtet man aber die großflächige Überbauung der einstigen Pracht durch Wohngebäude, so wird klar, dass die Arbeit hier zwar Fantasie erfordert, aber kein Kinderspiel ist.
Forschungsschwerpunkte sind:
• Aula regia (Thronhalle)
• Heidesheimer Tor
• staufische Erweiterungsfläche
• Saalplatz
• Karolingische Fernwasserleitung
• Peripherie des Saalgebietes mit u.a. der Kirche St. Remigius (wurde vor dem Bau der Saalkirche für große kirchliche Anlässe in der Pfalz genutzt)