Die
evangelische Burgkirche (ehemalige St. Wigbert) zählt zu den größten und imposantesten Wehrkirchenanlagen im Westen Deutschlands. Sie bildet mit ihren gestaffelten Verteidigungsringen den Kern der einstigen Ortsbefestigung und wurde an uralter heidnischer Kultstätte errichtet. Bereits im Neolithikum (ca. 3000 Jahre vor Christus) befand sich hier ein heiliger Hain mit Quelle und Menhir. Ein Vorläuferbau entstand etwa um 700. Vermutlich stammt ein an der Innenseite des Turms als Spolie vermauerter Türsturz von dieser Kirche.
Die Burgkirche liegt inmitten eines Kirchhofs, der von Mauern mit Zinnenkranz und Wehrgang umgeben ist. Der romanische Turm von 1103 mit gotischem Zinnenkranz und Erkertürmchen ist der älteste Teil der Kirche, deren Kirchenschiff und Chor in mehreren Bauabschnitten in spätgotischer Zeit errichtet wurde. Sehenswert ist die noch erhaltene Innenausstattung aus der Erbauungszeit im 15. Jahrhundert: Vor allem das mittlere Chorfenster, ein Marienfenster, die Rankenmalerei der Gewölbe des Kirchenschiffs, sowie die bei der Innenrenovierung 2005 - 2006 entdeckte und restaurierte Ausmalung des Chorgewölbes. Die Kirche diente als Grablege der Adeligen aus Ingelheim und Umgebung und besitzt zahlreiche historische Grabmäler.
Auf dem Kirchhof sind viele Grabsteine aus dem 19. Jahrhundert erhalten. Hier ist auch Dr. Martin Mohr (1788-1865) bestattet, Abgeordneter der Frankfurter Nationalversammlung und späterer Präsident des Hessischen Landtags.
offene Burgkirche:
Ostern bis Ende September
werktags 15 bis 18 Uhr
sonntags/feiertags 12 bis 18 Uhr
Sternenschön, die Burgkirche von Ober-Ingelheimvon Dr. Ewald Wegner, Landesamt für Denkmalpflege Mainz
Der altehrwürdige, mächtige Turm der romanischen Kirche St. Wigbert beweist, dass die uns ansonsten unbekannte alte Kirche ein bemerkenswerter Bau war, als um 1400, in der Zeit der Spätgotik, die Errichtung einer neuen Kirche gewagt wurde. Der Neubau verdrängte, beginnend mit dem Chor, die alte Kirche abschnittsweise in einem Zeitraum von 50 Jahren. Hierin wurde der anhand der Hölzer genau auf eine Errichtung im Jahre 1103 datierbare Turm einbezogen.
Mit seinem First strebte der Chor auf die Höhe des Turms bis zum beginnenden Schieferhelm, der erst nachträglich seinen Zinnenkranz erhielt. Das Dachwerk über dem vom Baumeister Johann von Diepach erbauten Chor war 1404 vollendet. Obwohl der Dachstuhl aus Tannen- und Fichtenholz besteht und eine Untersuchung der Jahresringe bei diesen Nadelhölzern lange unmöglich war, gelang jetzt mit fortentwickelter Technik die genaue Datierung.
Die von Unterbrechungen begleitete schrittweise Ausführung der dreischiffigen Halle offenbart sich in der gestaffelten Höhe der Kirchendächer, aber auch in den sich fortentwickelnden Ornamentformen des Maßwerkes der Fenster. Das östliche Joch am Turm konnte noch nicht datiert werden. Die beiden westlich anschließenden Mittelschiffsjoche waren 1431 vollendet. Im Dachstuhl zeigt sich zweifelsfrei was die blinden und versetzten Obergadenfenster im Mittelschiff zu bedeuten haben. Bis 1431 wurde an einer Basilika gebaut, die dann 1434 zugunsten einer Staffelhalle aufgegeben wurde.
Die beiden westlichen Joche mit der prägnanten, von Erkertürmchen geprägten Giebelfront wurden danach rasch von Peter Arnolt aus Bingen angefügt und waren 1450 vollendet. Auch hier wurde mit der Änderung des Wölbungssystems und den Netzgewölben für das Mittelschiff ein neuerlicher Planwechsel eingebracht.
An der malerischen Baugestalt lassen sich die Planänderungen und neu eingebrachten Ideen ablesen. Die so „wechselvolle“ Baugeschichte ergänzt sich wunderbar mit der während der Innenrestaurierung entdeckten ursprünglichen Raumfassung. Die bereits 1960 freigelegten Rankenmalereien in den Gewölben des Langhauses standen in einer farblichen Bindung mit einem kräftigen Gelbocker für die Architekturgliederung. Diese um 1450 entstandene Fassung stand im bewussten Kontrast zu der älteren, um 1410 zu datierenden Fassung des Chores, der im kräftigen Oxidrot gefasst war und dessen Gewölbesegel einen erst jüngst entdeckten, absolut seltenen gemalten Teppich aus Blüten und Sternen überdecken. Zweifel an einer späteren Ausführung hat Prof. Dr. Achim Hubel, Bamberg, entkräftet, da diese Malereien mit wenigen anderen Vergleichsbeispielen bestens in die Zeit um 1400 passen.