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Stadtwald
Stadtwald Ingelheim am Rhein - Forstrevier Emmerichshütte
Der Ingelheimer Stadtwald ist ein Naherholungsgebiet, das historisch zur Stadt Ingelheim gehört, obwohl er in der Germarkung Daxweiler, Verbandsgemeinde Langenlonsheim-Stromberg, Kreis Bad Kreuznach liegt.
Der Wald ist aber neben Wandermöglichkeiten, der Emmerichshütte und dem Gasthaus auch ein Wirtschaftsbetrieb.
Geprägt wird der Stadtwald durch die höchste Erhebung, den Kandrich, auf dem in den Jahren 1999, 2000, 2004, 2014 Windräder und 2003 ein Sendemast errichtet wurden.
Die forsthoheitliche und betriebswirtschaftliche Betreuung erfolgt durch das Staatliche Forstamt Soonwald in Verbindung mit dem Forstbeamten der Stadt Ingelheim.
Innerhalb der Stadtverwaltung Ingelheim wird der Stadtwald Ingelheim in Form eines kommunalen Eigenbetriebs geführt. Zuständige Dezernentin ist die Beigeordnete Dr. Christiane Döll der Stadt Ingelheim.
Geschichte
Der Wald steht nachvollziehbar schon über 800 Jahre im Besitz der Stadt Ingelheim. Die genauen Hintergründe, warum hier ein über 30 Kilometer vom Eigentümer entfernt liegender Grundbesitz existiert, sind bis dato noch nicht abschließend recherchiert. Eine Überlieferung besagt, dass eine Gräfin, die keine Nachfahren hatte, den Wald an Nieder-Ingelheim schenkte, da die Bewohner dieser Gemeinde sich um die Edelfrau bis zu deren Tode sorgten. Wie aber kam dann die Gräfin an den Waldbesitz? Hier könnte man die Mutmaßung anstellen, da Ingelheim zur Zeit der Karolinger (Karl d. Gr.) eine Kaiserpfalz war, dass solche Liegenschaften zur Versorgung des Hofstaates genutzt wurden (Wild und Holz) und während der Abwesenheit des Hofes als Lehen an den niederen Adel gegeben wurden. Ein späteres Aneignen der Ländereien durch den niederen Adel nach Zerfall der Kaiserpfalz ist sicher eine denkbare Möglichkeit.
Die Überlieferungen besagen außerdem, dass in der Ortschaft Daxweiler Leibeigene den Nutzen aus dem Wald zogen und bereitstellten. Darauf begründeten sich wohl auch die Holz und Weiderechte der Daxweilerer im Ingelheimer Wald, die erst 1888 durch Zahlung von 76000 Mark durch Ingelheim abgelöst wurden. Das Niederingelheimer Gemeinderatsmitglied Dr. jur. Wilhelm Freiherr von Erlanger ermöglichte damals die Beschaffung einer für diese Zeit beträchtlichen Geldsumme, nach deren Überbringung alle Überbleibsel der ehemaligen Grundherrschaft Ingelheims über Daxweiler erloschen waren.
Zur Erinnerung an Dr. Wilhelm Freiherr von Erlanger befindet sich in der Abteilung 58 des Ingelheimer Stadtwaldes ein Gedenkstein.
Es kann festgehalten werden, dass die Geschichte des Ingelheimer Waldes für den interessierten Hobbyhistoriker viel Beschäftigung bieten könnte. In alten Schriften wird von einem Dorf Kantei gesprochen, in dem vor langer Zeit Köhler lebten. Hierüber, als auch über die Einsiedeleien, Erzabbaustellen, Eisenschmelzen und unzähligen Köhlerplätze wurden noch keine erschöpfenden Untersuchungen angestrengt. Da zwischenzeitlich Funde aus der Römerzeit dokumentiert wurden, lässt sich das Rad der Geschichte auch bis in diese Zeit zurückdrehen: 2017 wurden durch den Archäologen der Universität, Institut für Vor- und Frühgeschichte, Herrn Priv.Doz. Dr. Haupt eindeutig römische Siedlungsstrukturen (z. B. eine Villa Rustica) nachgewiesen. Derzeit laufen Prospektionen, die weitere Aufschlüsse liefern sollen.Zahlenspiegel
Fläche
Gesamtbetriebsfläche 1.185,2 Hektar
Wirtschaftswald 1.063,8 Hektar
BaumartenverteilungBaumart - Jahr
Vor 1990
1995
2003
2011
Fichte
61 %
35 %
36 %
20 %
Tanne
1 %
Lärche
1 %
Kiefer
6 %
5 %
4 %
4 %
Douglasie
5 %
13 %
4 %
Buche
10 %
8 %
11 %
28 %
Eiche
23 %
30 %
30 %
27 %
Sonst. Laubholz
15 %
13 %
15 %
Waldbewirtschaftung
1988 erfolgte der Beschluss des Stadtrates, den Ingelheimer Wald nach den Grundsätzen der Arbeitsgemeinschaft Naturgemäße Waldwirtschaft zu bewirtschaften. Diese Grundsätze beinhalten folgende Leitaussagen:
- Abkehr von schlagweiser Wirtschaft, insbesondere vom Kahlschlag als seiner extremsten Form und Hinwendung zur baumweisen Ernte mit dem Ziel, Dauerwälder aufzubauen
- Aufbau von Mischwäldern, in denen der Anteil standortheimischer Baumarten um so höher sein soll, je labiler der Standort ist.
- Umbau standortwidriger Nadelholzbestände durch rechtzeitigen Unterbau und Voranbau mit Laubbäumen und Tanne nach dem Grundsatz, je labiler der Ausgangsbestand und der Standort, desto früher muss der Umbau beginnen.
- Bei der Baumartenauswahl volles Ausnutzen der breiten Palette heimischer Baumarten, dafür Zurückhaltung beim weiteren Anbau von sogenannten Gastbaumarten und Exoten (Douglasie, Roteiche, Lärche, u. ä.)
- Bessere Pflege des Waldbodens durch Vermeiden der Kahllegung, durch vermehrte Beimischung standortheimischer Baum- und Straucharten. Verbot flächigen Befahrens mit Maschinen, dafür Anlage eines schlepperbefahrbaren Rückegassensystems.
- Vorhandene Kahlflächen, besonders auf Extremstandorten (staunasse Verebnungen), möglichst unter dem schützenden Schirm eines Vorwaldes aus Birken, Aspe, Vogelbeere mit standortgerechten Baumarten aufforsten.
Am 12. April 1999 wurde der Stadtwald Ingelheim nach den FSC-Richtlinien zertifiziert.
Geologie/Klimatologie
Die horizontale Schichtung liegt zwischen 400 und 637 Metern über NN, die Waldbestände liegen auf ebenen bis hängigen Mittelgebirgslagen, die in den Seitenabfällen zum Guldenbach auch sehr steil sind und daher dort keiner regelmäßigen Bewirtschaftung unterliegen.
Bodenbildend ist basenarmer Taunusquarzit als Grundgestein mit tertiären Staublehmüberlagerungen. In den Tallagen findet sich selten Tonschiefer aus dem mittleren Devon.
Als Produkt des Verwitterungsprozesses sind als Bodentypen hauptsächlich Pseudogley und Braunerde zu finden.
Der Jahresniederschlag liegt bei 760 mm, die mittlere Jahrestemperatur beträgt 7,8 Grad C, in der Vegetationszeit 14,2 Grad C.Biotop- und Lebensraumverbesserung
Auch der Umbau der Monokulturen im Zuge des naturnahen Waldbaus bringt Verbesserungen für das Wild. So werden Wildäsungsflächen angelegt, die dem Wild eine möglichst ungestörte Nahrungsaufnahme ermöglichen sollen.
Durch den größtmöglichen Verzicht von Flächenschutz hat das Wild Zugang zu allen (äsungsreichen) Verjüngungsflächen; es wurde erwartet, dass durch die Nutzbarkeit der Gesamtvegetation durch das Wild der Verbissdruck auf die Forstpflanzen geringer wird. Diese Erwartung wurde auch für eine gewisse Zeit erfüllt. Durch den zunehmenden Dichtschluss der Bäume und die damit einsetzende Verschattung ist aber ein starker Rückgang der bodennahen Vegetation zu verzeichnen, was zu einer erneuten Verschärfung des Wilddruckes auf die Nutzpflanzen führt.
Aus diesen Erkenntnissen resultierend wird ein optimiertes Lebensraum- und Forstbetriebs- Entwicklungskonzept (OLF) erarbeitet, das zu einer Entwicklung und Aufrechterhaltung optimaler Lebensbedingungen der unterschiedlichen Tier- und Pflanzenarten bei gleichzeitiger Lebensraumnutzung führen soll.Forstliche Öffentlichkeitsarbeit und Umweltbildung
Über viele Jahre führt die Garten AG der Pestalozzi-Schule Projektarbeit im Stadtwald Ingelheim durch. So konnten alljährlich an 2 Pflanzaktionen von vielen Kindern und Eltern hunderte von kleinen Bäumen im Stadtwald gepflanzt werden.
Der Verein „Vogelfreunde Ingelheim und Umgebung e. V.“ betreut seit vielen Jahren über 200 Nistkästen im Stadtwald Ingelheim.Pfadfinder und Schulen kommen zur Projektarbeit in den Stadtwald. Insbesondere die Betreuung eines Feuchtbiotops unterhalb der Emmerichshütte wird durch Jugendliche wahrgenommen.
Die Stadt Ingelheim unterhält auf der Emmerichshütte ein Jugend- und Freizeitheim, das von Schulen, Jugend- und Erwachsenengruppen besucht wird. Im Rahmen der Jugend- und Erwachsenenbildung (forstliche Öffentlichkeitsarbeit / Waldpädagogik) wurde ein kleiner Themenkatalog erstellt, zu dessen inhaltlicher Betreuung Mitarbeiter des Eigenbetriebes Stadtwald Ingelheim am Rhein zur Verfügung stehen. Ein Mitarbeiter erhielt durch eine Fortbildungsmaßnahme die Zusatzqualifikation „staatlich zertifizierter Waldpädagoge“. Es finden jährlich zwischen 20 und 30 betreute Veranstaltungen statt.
Herausragend aus der Summe der Veranstaltungen ist das seit 2002 jährlich vom Forstbetrieb durchgeführte internationale Jugendworkcamp, an dem Jugendliche aus aller Welt teilnehmen. Neben Arbeiten im Wald wurden Projekte mit beeinträchtigten Kindern durchgeführt. Die Workcampteilnehmer/innen haben vielfältige Gelegenheit zum kulturellen Austausch.Eigenjagdbetrieb der Stadt Ingelheim
Die Stadt Ingelheim bewirtschaftet ihren Jagdbetrieb seit 1994 in Eigenregie. Die jagdliche Betriebsleitung wird durch den Revierförster wahrgenommen.
Kennzahlen des Jagdbetriebes:
- ca. 20 Euro je Jahr und Hektar Reineinnahme
- seit 1998 stark reduzierte Ausgaben für Forstschutz gegen Wild (ehemals bis zu 20 Euro pro Jahr pro Hektar)
- Einerseits Schwerpunktjagd auf Verjüngungsflächen, dafür erfolgt andererseits kein Flächenschutz. Zur Risikominimierung werden gepflanzte Eichen seit dem Jahr 2006 wieder mit Kleingattern (Holzhordengatter 2,5x2,5 m oder 3x3 m) geschützt, da der Wilddruck insbesondere durch das Rotwild in den letzten Jahren erneut waldunverträglich hoch geworden ist.
- Die jährliche Rehwildstrecke wurde verdreifacht im Verhältnis zur Zeit der Verpachtung (jetzt: 9 Stück pro Jahr und 100 Hektar, früher 3 Stück pro Jahr und 100 Hektar); der Rehwildzuwachs wird mit dieser Jagdstrecke dennoch nicht abgeschöpft.
- Es findet keine Nachtjagd statt, wodurch der Jagddruck insbesondere für das Rotwild gesenkt wird.
- Sozioökonomische Aspekte werden berücksichtigt: auch der unerfahrene und/oder der nicht so finanzkräftige Jäger bekommt eine Chance.